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Dr. med. Marc Windgassen hat schon viel gesehen. Vieles, das so schlimm und abscheulich ist, dass es in einem Krimi niemals gezeigt werden würde. Er und seine Kollegen vom Institut für Rechtsmedizin der Berliner Charité untersuchen die Leichname von Personen, die unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen sind. Was genau ein Rechtsmediziner macht und was ihn persönlich an seinem Beruf fasziniert, hat Dr. med. Windgassen im Interview verraten.

Die meisten Krimis beginnen etwa so: Ein Mordopfer wird gefunden. Kaum trifft der Kommissar am Tatort ein, kommt ihm auch schon der Kollege von der Rechtsmedizin entgegen, um ihm die Eckdaten der Todesumstände zu schildern und Vermutungen über den Tathergang anzustellen. Herr Dr. Windgassen, darf man sich Ihre Arbeit tatsächlich so vorstellen oder ist das eine reine Fiktion der Filmindustrie?

Nun ja, wenn die Todesumstände unklar sind, wie im Fall von Tötungsdelikten, werden wir tatsächlich an den Fundort gerufen, wo aber zunächst die Spurensicherung ihre Arbeit macht. Für Notfälle stehen wir der Polizei 24 Stunden rund um die Uhr zur Verfügung. Es ist aber nicht wie im Krimi, wo sich der Gerichtsmediziner in die Ermittlungen der Polizei einmischt.

Sie klären bei Weitem nicht nur Tötungsdelikte auf. Was genau sind  die Aufgaben eines Forensikers? Wann bekommen Sie als Rechtsmediziner Arbeit?

Immer dann, wenn ein Mensch auf nicht natürliche Weise beziehungsweise aus ungeklärten, nicht-natürlichen Gründen ums Leben gekommen ist; zum Beispiel durch einen Unfall, eine Vergiftung im Haushalt, durch Suizid, einen ärztlichen Behandlungsfehler oder in Folge von Gewalteinwirkung. Dann wird ein polizeiliches Todesermittlungsverfahren eingeleitet und gegebenenfalls eine Obduktion beauftragt. Bei ungewissen Todesursachen, etwa wenn eine Person leblos in der Wohnung aufgefunden wird, versuchen wir als Rechtsmediziner zum Beispiel Fremdverschulden auszuschließen und Ungereimtheiten aufzuklären. Allein in Berlin obduzieren wir 2000 Fälle jedes Jahr. Davon kommen 1000 zu uns in die Charité, die andere Hälfte wird vom Landesinstitut für gerichtliche Medizin Berlin übernommen.

Wenn die Staatsanwaltschaft nun eine Obduktion durch Ihr Institut beauftragt – was passiert dann genau mit der Leiche?

Die Obduktion einer Leiche sieht gemäß Strafprozessordnung stets die Öffnung aller Körperhöhlen vor – das sind der Kopf, die Brust und der Bauchraum. Wir sezieren den Leichnam, sprich, wir entnehmen alle Organe – zum Beispiel Herz, Leber, Lunge – und präparieren sie. Wenn nötig, unterziehen wir die Leiche einer chemisch-toxikologischen Untersuchung. Damit lässt sich herausfinden, ob die Person zum Zeitpunkt ihres Todes unter dem Einfluss von Substanzen, wie etwa Drogen, stand oder alkoholisiert war. So etwas zu wissen, kann bei der Aufklärung eines Falles unter Umständen sehr hilfreich sein. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob sich eine Person, die man an einem Strick hängend in der Wohnung findet, wirklich selbst erhängt hat. War sie überhaupt dazu imstande? Falls nicht, könnte es sich auch um ein Tötungsdelikt handeln. Auch Vergiftungen können so festgestellt oder ausgeschlossen werden. Diese Untersuchungen werden von unseren Kollegen in der Toxikologie durchgeführt.

Wie lässt sich feststellen, wann der Tod eines Menschen eingetreten ist?

Zum einen kann man das in einem gewissen Rahmen an den äußeren Veränderungen des Körpers erkennen. Je nachdem, wie stark die Leichenstarre bereits ausgeprägt ist oder wie sich die Totenflecken verhalten, lässt sich der ungefähre Todeszeitpunkt bestimmen. Liegt dieser noch nicht sehr lange zurück, können wir auch anhand der Abnahme der Körperkerntemperatur im Vergleich zur Umgebungstemperatur Rückschlüsse auf den genauen Zeitpunkt des Todes ziehen – natürlich immer unter Berücksichtigung von weiteren Faktoren wie dem Gewicht der Person oder der Kleidung, die sie trägt. Ist der Körper aber einmal auf die Umgebungstemperatur herunter gekühlt, haben wir mit der Temperaturmess-Methode keine Chance mehr, den Todeszeitpunkt festzustellen. Weitere Möglichkeiten sind, die Erregbarkeit der Gesichtsmuskulatur auf elektrische Impulse zu testen oder zu schauen, ob die Pupille noch auf chemische Reize reagiert.

Wie genau lässt sich der Todeszeitpunkt tatsächlich bestimmen?

Wenn der Gerichtsmediziner im Krimi so etwas sagt wie „Der Tod ist zwischen 2 Uhr und 2.25 Uhr eingetreten“, muss ich schmunzeln, denn so exakt lässt sich das gar nicht sagen. Wir können uns bestenfalls auf einen groben Zeitraum festlegen, der aber meist mehrere Stunden umfasst. Je länger der Tod einer Person zurückliegt, umso schwieriger ist es, den genauen Zeitpunkt zu rekonstruieren.

Hat sich Ihre Arbeit, was die Methodik betrifft, in den letzten Jahren durch neue Technik verändert?

Wie in vielen Berufen, hat sich durch den technischen Fortschritt auch in der Rechtsmedizin einiges getan. Zum Beispiel im Bereich der Toxikologie. Es ist mittlerweile möglich, selbst kleinste Mengen an Stoffen im Blut eines Menschen nachzuweisen. Wir erhalten also immer genauere Ergebnisse. Auch auf der Ebene der Molekulargenetik stehen uns heute viel mehr Möglichkeiten offen, um DNA-Spuren zu sichern. Bildgebende Techniken wie Computertomographen (CT) haben den Vorteil, dass wir objektive Bilder für die Dokumentation von Obduktionen bekommen. Außerdem helfen sie uns, schon vor Öffnung des Körpers Knochenbrüche auf dem Bildschirm zu sehen oder kleinste Geschosspartikel im Körper einer Person zu erkennen, die an einer Schussverletzung gestorben ist. So ein CT kann auch dabei helfen, den genauen Hergang eines Verkehrsunfalls zu rekonstruieren. So können wir anhand der Darstellung am Computer zum Beispiel veranschaulichen, aus welcher Richtung das Auto kam, von dem das Opfer angefahren wurde.

Wie kam es, dass Sie sich für diesen Beruf entschieden haben? Was fasziniert Sie daran?

Es ist dieses detektivische Arbeiten, das mich reizt: Aus unseren wissenschaftlichen Untersuchungen ziehen wir Rückschlüsse und Schlussfolgerungen, wie sich eine Situation in der Vergangenheit abgespielt haben muss beziehungsweise unter welchen Umständen eine Person ums Leben gekommen ist und bringen damit auch die Wahrheit ans Licht. Es ist außerdem ein sehr abwechslungsreicher Beruf. Nicht nur, weil jeder Fall anders ist, sondern auch weil das Spektrum unseres Aufgabengebiets sehr breit gefächert ist. So führen wir zum Beispiel auch Untersuchungen bei lebenden Gewaltopfern durch oder sitzen als Gutachter und Sachverständige bei Gericht. Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit über verschiedene Fachrichtungen hinweg finde ich sehr spannend.

Sie sehen in Ihrem Beruf viele schlimme Dinge: stark verweste Leichen, abgetrennte Körperteile, Tote, an denen brutale Gewalteinwirkung erkennbar ist. Wie verarbeiten Sie solche schrecklichen Bilder?

In meinem Beruf muss man diesbezüglich belastbar sein, keine Frage. Man kann den Beruf nur ausüben, wenn man die Fälle nicht zu sehr an sich heran lässt und zwischen Arbeit und Privatleben differenziert. Auf keinen Fall darf man sie mit nach Hause nehmen.

Gibt es dennoch Situationen, die auch Sie belasten, trotz Ihrer langjährigen Erfahrung in Ihrem Beruf?

Es gibt sicherlich Fälle, die einen mehr beschäftigen als die übliche Routine. Gewalt gegen Kinder wäre dafür ein Beispiel. Aber auch hier muss man die professionelle Distanz wahren, alleine schon aus Selbstschutz. Wenn einen die Arbeit belastet, dann ist es nicht der richtige Beruf.

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